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Foto: Florian Rainer

Clemens Marschall

geb. 1985 in Ried im Innkreis, Gründer des (Fernseh-) Magazins Rokko’s Adventures, abgeschlossenes Doktoratsstudium der Musikwissenschaft, lange Mitglied der Literaturgruppe Wortwerft, lebt und arbeitet als freier Journalist (Die Zeit, Radio Ö1) und Autor (u.a. „Golden Days Before They End“, „Avant-Garde from Below“) zwischen London und Wien.
Mehr unter www.rokkosadventures.at

Kurt Prinz & Clemens Marschall

Hobby-Indianer

Zwischen kultureller Aneignung und Anerkennung

Schon seit geraumer Zeit stellen tausende Menschen aus Deutschland und Österreich amerikanische Ureinwohner nach – bzw. das, was sie dafür halten; treffen sich, um gemeinsam zu feiern, zu tanzen, Zeremonien abzuhalten. Doch ihre Zugänge könnten unterschiedlicher kaum sein: von historisch exakten Imitationen, die jahrhundertealte, in Amerika nicht mehr existierende Rituale wiederbeleben, über esoterischen Eskapismus im Selbsthilfebereich bis zu verspielt-naiven Wochenendbeschäftigungen für die ganze Familie.

Was sie allerdings verbindet, ist die Begeisterung für das Nachahmen kultureller Identitäten: ein kompliziertes Geflecht, das auf kolonialem Erbe beruht und zahlreiche Brüche und Überraschungen aufweist – wobei niemand außer den Native Americans selbst entscheiden sollte, welche Form der Nachahmung und Identifikation mit ihnen zu begrüßen ist und welche nicht.

Mehr als zehn Jahre haben Fotograf Kurt Prinz und Journalist Clemens Marschall damit verbracht, die gegensätzlichen Ausformungen dieser Szenen zu dokumentieren. Eine Spurensuche zwischen Plastikschamanismus, „deutscher Gründlichkeit“ und ausstehender Versöhnung, die eigenartige Fragen aufwirft wie: Brauche ich indianisches Blut, um Indianer zu sein, oder reicht eine gute Verkleidung? Muss ich mich schuldig dabei fühlen, ihre heiligen Tänze zu zelebrieren, oder wird das als Kompliment an ihre Kultur verstanden? Betreibe ich Kulturvampirismus – oder handelt es sich um Blutsbrüderschaft?

Foto-Textband / 168 Seiten /  280x 210 mm / Hardcover / 1. Auflage 19. April 2024 / Preis: €38,00
ISBN 978-3-903365-25-4

EDITION PRIVAT – Claudias und Rudis Wien intim

Edition Privat war von den 1990ern bis 2010 eine der führenden Pornofilmproduktionsfirmen Österreichs. Claudia und Rudi, die beiden Köpfe dahinter, haben sich bei einem Dreh kennengelernt: sie vor, er hinter der Kamera. Seit 20 Jahren sind sie ein Paar und leben mittlerweile gemeinsam zurückgezogen am Stadtrand von Wien. Damals wollten sie keine herkömmlichen Sexfilme drehen, sondern dorthin, wo’s interessant wird, wo’s ans Eingemachte geht, wo’s wehtut – und das nicht nur vor jenem Lachen, das einem im Hals steckenbleibt; wo Elizabeth T. Spira mit ihren „Alltagsgeschichten“ nur anstreifte; wofür Ulrich Seidl vielleicht zu intellektuell ist; und wozu andere Menschen keinen Zugang haben – oder haben wollen.

Claudia und Rudi öffnen hier für Clemens Marschall erstmals ihre Fotoarchive und erzählen aus ihrem bizarren Nähkästchen: vom Gemeindebau ins extravagante Studio und zurück; über Castings, Filmdrehs und die Feiern danach; über Leck-to-Gos und grenzwertige Spiele; über ihren jahrelangen nichtsexuellen Sklaven; den Verleger Victor „Vickerl“ Hennemann und seine berüchtigten Swingerlokale; die Domina Roxanne, die „Analgeburten“ moderierte; Pfarrer, die ihre Kutten heben; den Schauspieler Haymon Maria Buttinger, der, wenn nicht unter Claus Peymann im Burgtheater, bei Edition Privat spielte; den ultrakonservativen „Pornojäger“ Martin Humer und dessen „Lieblingsfeind“ Peter Janisch; Charaktere wie Urindl, Wodka-Anderl, Mumienficker, Reptilienflüsterer, Nazi-Kurtl, Analisa, Klodeckel-Resi, Blunzn, den Godfather of Gacki sowie Polizisten, Burenhäutlstrizzis und Politiker.

Claudia und Rudi sind ein schräges, aber gleichzeitig bodenständiges und sympathisches Wiener Paarl. Sie gewähren sehr persönliche Einblicke in eine verborgene, teils groteske Subkultur, fern davon, sie zu verklären oder zu romantisieren. Einen Porno würden sich die beiden ohnehin nie ansehen, lieber organisieren sie ihre eigenen Swingerparties. Sie geben ein Stück Zeitgeschichte wieder, das sonst höchstens heimlich bis heuchlerisch beäugt wird. Viel eher als um Pornographisches geht es hier aber um Menschliches, Existenzielles, Urkomisches, Abgründiges. Ein abstruses Kaleidoskop, das man nicht erfinden könnte: ein Auge zum Lachen, eines zum Weinen – und eines zum Zumachen. Wenn Manfred Deix Sexfilme mit John Waters in Wien gedreht hätte …

Jugendverbot. Verkauf ab 18 Jahren.

Foto-Textband / 224 Seiten / 280x 210 mm / Hardcover / Preis: €42,00 / 1. Auflage 22. September 2022
ISBN 978-3-903365-08-7